Debrief: Antonov AN-148 Absturz

02.03.2018 RK
Antonov An-148
Antonov An-148 (Foto: Plane Finder)

Am 11. Februar 2018 ist ein Antonov AN-148 Verkehrsflugzeug in der Nähe von Moskau abgestürzt, die Unfallermittler haben erste Details zur Unfalluntersuchung veröffentlicht.

Die Antonov An-148 ist aus noch nicht geklärten Gründen bei garstigem Winterwetter kurz nach dem Start vom Flughafen Moskau Domodedovo in der Nähe des Dorfes Argunovo abgestürzt, alle 71 Insassen sind bei diesem Absturz ums Leben gekommen. Die Unfallermittler konnten das Flugdatenaufzeichnungsgerät (Flight Data Recorder) und den Stimmenrecorder (Voice Recorder) bereits einen Tag nach dem Unfall bergen. Die Black Boxes konnten in gutem Zustand an das Interstate Aviation Committee (IAC) Labor übergeben werden.

Antonov AN-148 Absturz Black Box (Foto: Interstate Aviation Committee IAC)

Das IAC hat nach der Bergung sofort mit der Wiederherstellung der aufgezeichneten Flugdaten und Cockpitaufzeichnungen begonnen. Alle gespeicherten Daten von den letzten sechzehn Flügen konnten erfolgreich reproduziert werden. Erste Auswertungen des Flight Data Recorders zeigen, dass die Heizungen der Staudruckrohre nicht eingeschaltet waren, auf allen fünfzehn vorgängigen Flügen wurden die drei Heizungen beim Auflinieren auf die Startbahn eingeschaltet. Nach dem Take Off um 11:21 UTC wurde der Autopilot auf einer Höhe zwischen 130 bis 150 Meter eingeschaltet. Der Autopilot wurde auf den Lagemodus und den Navigationsweg gekoppelt. Auf einer Höhe von 550 Metern (1.800 Fuß) waren die Klappen eingefahren. Das Flugzeug macht sich an, auf die Reiseflughöhe zu steigen, alles scheint normal zu sein.

Antonov AN-148 Cockpit (Foto: ILYUSHIN FINANCE)

Laut den Ermittlern hat sich nach zwei Minuten und dreißig Sekunden eine Notlage im Cockpit eingestellt. Die Antonov AN-148 befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf einer Höhe von 1.300 Metern, die angezeigte Geschwindigkeit beträgt 465 bis 470 Kilometer pro Stunde. Auf dieser Höhe meldet das Warnsystem eine Geschwindigkeitsdiskrepanz zwischen der linken Geschwindigkeitsanzeige (1) beim Kapitän und der Anzeige auf dem Notgeschwindigkeitsmesser (3). Die Geschwindigkeitsdifferenz liegt bei 30 km/h, die Anzeige auf der Kapitänsseite (1) war dabei schneller als auf dem Standby Instrument (3). Die dritte Geschwindigkeit (2) auf der Seite des Copiloten wird nicht aufgezeichnet. Die Höhenanzeigen werden ebenfalls über die gleichen Air Data Computer wie die Geschwindigkeit an die Höhenmesser übermittelt, bei der Höhe stellte sich zwischen der linken Anzeige und der Standby Anzeige kein großer Unterschied ein. Die Warnung „MATCH IAS“ zeigt den Piloten an, dass die angezeigten Geschwindigkeiten nicht miteinander übereinstimmen, diese Warnung wurde für rund zehn Sekunden angezeigt. Nach 50 Sekunden ist diese Warnung wieder gekommen, das war bereits auf einer Höhe von 2.000 Meter. Zu diesem Zeitpunkt ist die Geschwindigkeit auf dem Standby Instrument (3) höher als auf der Kapitänsseite, sie nimmt dabei rapide zu, gleichzeitig nimmt die Geschwindigkeitsanzeige auf der Kapitänsseite (1) rasch ab. Die Piloten schalten den Autopiloten aus und übernehmen die Steuerung des Flugzeuges, der Kapitän probiert Geschwindigkeit aufzuholen, indem er die Antonov AN-148 in den Horizontalflug steuert. 34 Sekunden nach dem Ausschalten des Autopiloten zeigt der Geschwindigkeitsanzeiger auf der Kapitänseite 0 km/h an, die Anzeige auf dem Standby Instrument pendelte zwischen 540 und 560 km/h. Das Flugzeug fliegt dabei in einem Höhenband von 1.700 bis 1.900 Meter, die Beschleunigungskräfte bewegen sich zwischen 0,5 und 1,5 G, was normal ist. Rund 50 Sekunden nachdem der Autopilot ausgeschaltet wurde, verschlimmert sich die Situation rasch. Die Speed auf dem Standby Geschwindigkeitsmesser geht nun ebenfalls rasch zurück und tendiert gegen 0 km/h. Die Piloten befürchten einen Strömungsabriss und lenken die Antonov in einen Sturzflug von 30 bis 35 Grad und wollten dadurch Geschwindigkeit aufholen. Um 11:27 Uhr (UTC) krachte die Antonov AN-148 mit hoher Geschwindigkeit in den Boden. Die Notlage dauerte bis zum Aufschlagen am Boden nur etwa zwei Minuten, alles ging sehr schnell. Kurz vor dem Aufschlag zeigte der Standby Geschwindigkeitsmesser eine Geschwindigkeit von 800 km/h an.

Antonov An-148 Absturz (Foto: AP Authority)

Die Unfallermittler vermuten, dass die Antonov wegen falschen Daten an den Geschwindigkeitsmessern abgestürzt ist. Bedauerlicherweise haben es die Piloten versäumt, vor dem Start die Staudruckheizungen einzuschalten, dies könnte zu dem fatalen Absturz mit 71 Toden geführt haben. Die Ermittler legen nun den Fokus darauf, wie ein solcher Fehler in einem zwei Mann Cockpit passieren kann.

Wie kann eine falsch bediente Staudruckheizung zu einem Absturz führen

Die Geschwindigkeit bei einem Flugzeug wird über Staudruckrohre gemessen, diese Drucksensoren liefern die Daten an einen Computer, dieser sorgt wiederum für die korrekte Geschwindigkeitsanzeige im Cockpit. In einem Linienflugzeug ist dieses System dreifach redundant aufgebaut, man hat drei Staudruckrohre und drei Air Data Computer. Auch die Antonov AN-148 ist so ausgelegt. Vor dem Start müssen die Piloten in der Regel die elektrische Heizung für die Staudruckrohre einschalten, falls dies vergessen geht, können sich diese hochempfindlichen Sensoren durch Eis verstopfen.

Falls die Staudruckrohre keine korrekten Druckwerte liefern, kann das fatale Folgen haben, wie es dieser Unfall zeigt. In diesem Fall haben es die beiden Piloten versäumt, die Heizungen für die Staudruckrohre einzuschalten, dies wird zu dieser Notsituation im Cockpit geführt haben. Es heißt aber noch lange nicht, dass ein Flugzeug in einem solchen Fall abstürzen muss. Eine gute Besatzung ist in der Lage, einen solchen Fehler unter Kontrolle zu bringen und kann damit die Notsituation aus dem Weg schaffen.

Die Flugunfalluntersuchung muss nun zeigen, warum die Standard Operating Procedures bei der Fluggesellschaft Saratov Airlines eine solche unglückliche Verkettung von Fehlern zuließen. Wir denken, dass bei Saratov Airlines das Training und das Crew Resource Management verbessert werden muss, damit solche Unfälle in Zukunft vermieden werden können.

Lesen sie zum Geschwindigkeitsmesser auch folgenden Artikel:

Aviation Knowledge: Der Fahrtmesser

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